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Überblick über das juristische Ausbildungssystem in Indien

   


   




   

Hier soll ein kurzer Überblick über das juristische Ausbildungssystem in Indien gegeben werden. Nähere Informationen, welche Studienmöglichkeiten es für einen deutschten Juristen in Indien gibt, sind im nächsten Kapitel aufgeführt.

LL.B.
Solicitor Examen

LL.M.
Promotion (Ph.D)
Anwaltschaft in Indien

 

LL.B. (nach oben)
Das juristische Studium wird mit dem sog. LL.B. abgeschlossen. Man unterscheidet zwischen zwei verschiedenen LL.B Studiengängen. Es existiert das 5-jährige und das 3-jährige LL.B Studium. Das 3-jährige LL.B Studium kann nur dann aufgenommen werden, wenn man nach der regulären Schule einen Bachelor-Studiengang erfolgreich abgeschlossen hat. Ein Bachelor-Studiengang dauert 3 Jahre und kann z. B. in Arts, Science, Mass Media absolviert werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Schulbildung von "10+2+3". Das 5-jährige LL.B Studium kann dagegen unmittelbar nach dem Schulabschluss aufgenommen werden, d. h. nach der 12. Klasse (man spricht in diesem Fall von "10+2" Jahren Schuldbildung). Insgesamt dauert damit der Weg über den Bachelor ein Jahr länger, als der Weg über die 12-jährige Schulausbildung. Benötigt man für ersteren Weg 18 Jahre (10+2+3+3), dauert letzterer nur 17 Jahre (10+2+5). Der 5-jährige LL.B. Kurs bietet sich für die Studenten an, die nach der Schule bereits sicher sind, dass sie die juristische Laufbahn einschlagen möchten. Der 3-jährige LL.B. wird dagegen von Studenten gewählt, die entweder nach dem Schulabschluss bezüglich ihrer beruflichen Laufbahn noch nicht sicher waren oder neben dem juristischen Abschluss noch ein weiteres berufliches Standbein haben möchten. Hat man sich für den 5-jährigen LL.B. Kurs entschieden, so gibt es nach 3 Jahren eine Zwischenprüfung. Besteht man diese, bekommt einen sog. BLS (Bachelor of Legal Studies).
Für einen deutschen Staatsbürger dürfte wohl nur das 5- jährige LL.B. Studium zugänglich sein. Das Abitur in Deutschland dauert 13 Jahre und liegt damit 2 Jahre unter der für den 3-jährigen LL.B. geforderten Schulausbildung. Das derzeitige Bildungsabkommen (für alle Fachrichtungen) zwischen Deutschland und Indien regelt nach meinem Kenntnisstand bislang nur den gegenseitigen Erlass der Studiengebühren, jedoch nicht die Zulassungsvoraussetzung für ein juristisches Studium an einer indischen Universität. Die indischen Universitäten und Behörden werden daher das Abitur sehr wahrscheinlich nur für ein 5-jähriges LL.B. Studium anerkennen. Welche weiteren Voraussetzungen ein ausländischer Staatsbürger benötigt, um ein juristisches Studium in Indien aufnehmen zu können, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch kann nicht gesagt werden, inwieweit nach dem erfolgreichen Studienabschluss in Indien als Anwalt praktiziert werden darf. Zur Zeit ist es jedenfalls ausländischen Anwälten verboten, in Indien juristisch tätig zu werden (nähere Ausführungen unter "Arbeiten in Indien"). Die Frage, inwieweit dieses Verbot für deutsche Staatsbürger mit indischem LL.B. Abschluss gilt, dürfte wohl noch nicht aufgekommen sein, da ein 5-jähriges LL.B. Studium für einen deutschen Juristen eher unattraktiv ist (näheres unter "Studieren in Indien"). Gerne kann man mich aber per E-Mail kontaktieren und mich diesbezüglich aufklären.

Solicitor Examen (nach oben)
Vor 1976 bestand in Mumbai eine Zweiteilung des Anwaltssystems. Es gab die Solicitor und die Counsel. Während die Solicitor allein mit den Mandanten agierten, traten die Counsel für den Mandanten vor Gericht auf. Diese Unterteilung ist in Indien offiziell abgeschafft worden. Dennoch wird diese Zweitteilung faktisch aufrechterhalten. In Mumbai kann man daher nach dem LL.B. Examen auch weiterhin ein sog. Solicitor Exam machen. Ein Solicitor Exam ist nicht notwendig, um als Anwalt vor Gericht auftreten zu dürfen. Es sollen aber mit dem Solicitor Abschluss gewisse Zusatzqualifikationen bescheinigt werden.

LL.M. (nach oben)
Nach erfolgreichem Abschluss des LL.B. ist es möglich, mit einem LL.M Studium zu beginnen. Ein LL.M. Studium dauert in Indien zwei Jahre. Aus diesem Grund wird von indischen Absolventen oft versucht, ein LL.M. Studium im Ausland aufzunehmen. Wie allgemein bekannt, dauert ein LL.M Studium in anderen Ländern in der Regel nämlich nur 1 Jahr. Allerdings sind Auslandsaufenthalte, gerade für indische Verhältnisse, äußerst kostenintensiv und daher nur einem beschränktem Kreis der indischen Studenten möglich. Ohnehin ist die Prozentzahl der indischen Studenten, die ein LL.M Studium aufnehmen, geringer als in Deutschland. Dies liegt vor allem daran, dass in Indien die englische Sprache unter den Studenten bereits fließend beherrscht wird und insofern kein Bedürfnis besteht, allein zur Verbesserung der Sprachkenntnisse ein ausländisches LL.M Studium zu absolvieren. Wer allerdings eine akademische Karriere in Indien anstrebt, der wird auf einen LL.M. nicht verzichten können. Ein LL.M. ist nämlich zur Aufnahme eines Promotionsstudiums zwingend erforderlich (siehe sogleich).

Promotion (Ph.D) (nach oben)
Um als Doktorand an einer indischen Universität oder an Colleges angenommen zu werden, bedarf es zwingend eines LL.M.-Titels. Anders als in Deutschland muss somit erst ein komplettes LL.M. Studium absolviert werden, bevor man eine Promotion in Indien beginnen kann. Der Zeitrahmen für die Fertigstellung der Doktorarbeit wird in Indien mit ca. 2-5 Jahren angelegt. Zum Teil wird von der Universität sogar verbindlich ein Zeitrahmen vorgeschrieben, d.h. die Promotion darf nicht später als 5 Jahre bzw. nicht früher als 2 Jahre abgegeben werden. Aufgrund der langen Bearbeitungszeit und des Erfordernisses eines LL.M., wird ein Doktortitel nur von wenigen indischen Studenten angestrebt. Geht man von einer 3 jährigen Bearbeitungszeit der Promotion aus, würde man den Doktortitel nach ca. 10 Jahren juristischer Ausbildung erwerben (5 Jahre LL.B + 2 Jahre LL.M. + 3 Jahre Promotion). Dies kann nur vereinzelt von indischen Studenten finanziert werden. Die zwingende Voraussetzung eines LL.M. für ein Promotionsstudium kann für deutsche Doktoranden ein Problem darstellen. Eine indische Universität wird es ablehnen einen deutschen Doktoranden ohne LL.M. offiziell an der Universität als Promotionsstudent einzuschreiben, da dann eine Benachteiligung zu indischen Doktoranden bestehen würde. Insoweit besteht für deutsche Doktoranden ohne LL.M. nur die Möglichkeit "inoffiziell", d. h. ohne Einschreibung an der Universität, zu forschen. Dies bedarf jedoch stets einer Forschungserlaubnis des Dekans bzw. des Institutsverantwortlichen. Ohne eine Erlaubnis vom Dekan wird der Bibliotheksangestellte den Zugang zu der Bibliothek verweigern. Ferner muss ein Doktorand über eine Forschungsgenehmigung vom indischen Innenministerium verfügen. Ohne eine Forschungserlaubnis vom indischen Innenministerium wird von der indischen Botschaft für den Forschungsaufenthalt kein Research Visum ausgestellt. Nähere Informationen zu den Visumvorschriften finden sich unter "allgemeine Hinweise". Zu der Frage, ob man vor Ort auch faktisch ein Research Visum benötigt, wird hier Stellung bezogen. Informationen, wie man eine Genehmigung vom indischen Innenministerium bekommt und damit letztlich das Research Visum, sind hier und unter "Forschen in Indien" zu finden.

Zu weiteren in Indien angebotenen Zusatzqualifikationen bzw. besonderen Kursen und Veranstaltungen, bitte im nächsten Kapitel in der Rubrik "Studieren in Indien" klicken.

Anwaltschaft in Indien (nach oben)
Mit dem LL.B. Abschluss ist man befähigt, als Anwalt in Indien tätig zu werden. Man hat sich nach dem LL.B. Examen in der zuständigen Anwaltskammer als Advocate einzutragen. Dies nennt sich in Mumbai SANAD und ist eine reine Formsache. Erst dann ist man endgültig berechtigt, seinen Mandanten vor jedem Gericht in Indien, also auch vor jedem High Court und Supreme Court, zu vertreten. Bei der Vetretung vor einem Supreme Court hat sich in der Praxis eine zusätzliche Hürde etabliert. Die Supreme Courts führen eine Liste von den Anwälten, die vor dem Supreme Court auftreten dürfen. Um auf diese Liste als "on record advocate" aufgenommen zu werden, muss man ein weiteres Examen ablegen.
Das LL.B. Examen befähigt grundsätzlich auch für ein Richteramt. Richter wird man aber nur, wenn man vom Chief Justice of India und dem entsprechenden High Court benannt wird. Die Regierung ist bei der Benennung zu konsultieren. Faktisch hat es damit letztlich die Regierung in der Hand, wer als Richter berufen wird. In der Praxis steht das Richteramt grundsätzlich erst nach 10- 20 jähriger Tätigkeit als Anwalt zur Verfügung.

Indien folgt -nicht überraschend- dem englischen Rechtssystem. Es herrscht insofern das Common Law und nicht, wie in Deutschland, der Civil Code. Dies spiegelt sich auch im Anwalts- und Gerichtswesen wieder. Zwar gibt es offiziell kein duales Anwaltssystem mehr, d.h. es gibt keine Unterteilung zwischen Solicitor und Counsel (in England spricht man auch noch vom Barrister). Vielmehr gibt es in Indien offiziell nur den "Advocate". In der indischen Rechtspraxis (insbesondere in Mumbai) ist aber die Unterteilung in Solicitor und Counsel erhalten geblieben. Die Solicitor treten gegenüber dem Mandanten auf, während der Counsel den vom Solicitor geschilderten Sachverhalt in einer Klageschrift aufbereitet und vor dem Gericht präsentiert. Solicitor betreuen daher den Mandanten, nehmen den Sachverhalt auf und geben rechtliche Beratung. Soll der Streit vor einem Gericht ausgetragen werden, gibt der Solicitor den Fall an den Counsel weiter. Da der Counsel ein vom Solicitor unabhängiger Anwalt ist, muss der Mandant sowohl den Solicitor als auch den Counsel bezahlen. Ein Counsel nimmt in der Regel kein Mandat direkt vom Mandanten an, sondern nur über einen Solicitor. Ein guter Counsel zeichnet sich insbesondere durch seine rhetorischen Fähigkeiten aus. Die Präsentation des Falles vor dem Richter ist für den Erfolg der Klage von ganz entscheidender Bedeutung (weitaus mehr, als es in Deutschland der Fall ist). Neben der Ausdrucksweise spielen auch Gestik, Mimik, Körpersprache, Rhetorik, Charisma und Reputation des Anwalts eine entscheidende Rolle. Zudem bedarf es Kenntnis von indischer Rechtsmentalität und von gesellschaftlichen und kulturellen indischen Eigenarten. Diese Attribute erlernt man m. E. nur, wenn man in Indien aufgewachsen ist und über Jahre an der Seite eines guten Counsel gearbeitet hat. Unabhängig davon, dass es ausländischen Anwälten verboten ist in Indien juristisch zu arbeiten, dürfte es für einen ausländischen Anwalt daher ziemlich schwer sein, seinen Fall vor einem indischen Gericht angemessen zu präsentieren.
Das Gerichtsverfahren selbst erinnert sehr an das klassische englische Rechtssystem. Jeder Anwalt muss klassische lange Anwaltsroben tragen und die Gerichtsdiener haben traditionelle, reich verzierte Uniformen an. Die Gerichtssprache in Indien ist Englisch. Nur in den Amtsgerichten darf z. T. auch eine indische Sprache verwendet werden. Die Gerichte sind in Indien sehr überlastet. In der Tat ist die mangelnde Rechtsdurchsetzung ein Hauptkritikpunkt von ausländischen Unternehmen. Ein Gerichtsverfahren kann bis zu 25 Jahre dauern!
Die Gebühren für einen Anwalt werden nach Stundenbasis berechnet. Eine Berechnung nach der Höhe des Streitwertes, wie es in Deutschland vorgeschrieben ist, ist in Indien nach meiner Kenntnis sogar verboten. Die Stundensätze eines Anwalts können sehr stark variieren. Der Stundensatz ist abhängig von der Art des Falles und der Reputation, Qualifikation, Bekanntheit, Erfahrung und letztlich wohl auch von den Verbindungen des Anwalts. Ein unbekannter Anwalt ohne besondere Reputation wird für eine kleine juristische Angelegenheit wohl ab 1000 Rs arbeiten. Die "Top-Anwälte" z. B. in Delhi oder Mumbai verlangen dagegen zwischen 2000-4000 Dollar pro Stunde! Anwälte, die derart hohe Stundensätze verlangen, haben eine sehr hohe Reputation in ganz Indien und genießen ein hohes Ansehen. Sie betreuen in der Regel große renommierte indische und ausländische Unternehmen. Zu einem (ungeschriebenen) Ehrenkodex soll es gehören, die Honorarforderung eines guten Anwalts nie in Frage zu stellen.

Bitte klicken Sie hier, um zum nächsten Kapitel zu gelangen ("Studieren, Forschen, Arbeiten in Indien").

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